Mittwoch, 27. Juli 2011

Not In My Backyard!


Gabriel Ahlfeldt

NIMBYism („Not In My BackYard“) ist zu einer der größten Herausforderungen in der Verkehrsplanung geworden. Infrastrukturen wie Flughäfen, Autobahnen oder (Hochgeschwindigkeits-)Bahnstrecken sind zwar sozial erwünscht, werden aber von den Anwohnern um so mehr abgelehnt. Das typische Argument ist immer das hohe Maß an Lärm, Umweltverschmutzung und Verkehrsüberlastung.

Und natürlich ist man versucht, Mitleid mit den Anwohnern von Flughäfen angesichts des Ausbaus und der geplanten neuen Flugrouten zu haben, da sie unter einem deutlich erhöhten Lärmpegel leiden werden. Diese sind – verständlicherweise – überhaupt nicht glücklich über diese Aussichten. Die offensichtliche Frage ist: Wie gewichtet man die (wirtschaftlichen) Interessen der breiteren Bevölkerung gegen die Kosten der lokalen Bevölkerung? Dies ist eine schwierige Wahl, und es macht es nicht einfacher, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen die gleiche Fähigkeit haben, ihre Interessen zu äußern und durchzusetzen.

Ein typisches Beispiel sind Hochgeschwindig­keits(bahn)strecken bzw. High Speed Rail (HSR). Ohne zu behaupten, dass der ökonomische Nutzen die Kosten der HSR per se übersteigt, zeigen URBANCONTEXT-Forschungsergebnisse doch, dass HSR potenziell Arbeitsplätze und ökonomischen Wohlstand in den jeweiligen Regionen fördert. So ist es bezeichnend, dass die ehrenwerte Queen Elizabeth wenig begeistert von dem Britischen Hochgeschwindigkeitsprojekt HS2 ist, könnten doch die Züge am Stoneleigh Park – einem wichtigen Standort für Pferdesport – die Pferde scheu machen. Tories, die in der Nähe des geplanten HS2 leben, drohen sogar, ihre Zuwendungen an ihre Partei zu stoppen, sollte die Koalition das Projekt so weiterverfolgen. Sind die erwarteten Geräuschpegel so hoch? Haben PlanerInnen keinen praktikablen Weg gefunden, der diese ökologischen Kosten minimiert?

In den Finanzwirtschaftswissenschaften (Fishel, 2002: Homevoter Hypothesis) wird allgemein angenommen, dass Hauseigentümer (öffentliche) Projekte unterstützen (ablehnen), von denen sie eine Wertsteigerung (-minderung) ihres Eigentums erwarten. Daher haben sie einen viel höheren Anreiz als Mieter, sich in Interessengruppen zu organisieren und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Zurück zum Fluglärm: Die aktuelle URBANCONTEXT-Forschung zeigt, dass dieser Eigentümer viel stärker beunruhigt als Mieter. Als Beispiel dient die Volksabstimmung über die Schließung des historischen Flughafens Tempelhof in Berlin: Die Unterstützung für den Erhalt dieses Flughafens war im Gebiet um den BBI mehr als doppelt so hoch wie im Berliner Durchschnitt – weil Anwohner befürchten, dass der Flug-Verkehr in ihre Nachbarschaft verschoben wird. Dabei kann man sich kaum vorstellen, dass in Anbetracht der wenigen Flugbewegungen in Tempelhof es durch die Schließung allein überhaupt zu einer spürbaren Lärmerhöhung kommt. Nicht überraschend: dieses Gebiet ist von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern geprägt.

Was lernen wir daraus? NIMBYism ist eine komplexe Mischung aus verschiedenen Interessen, und hinter Beschwerden über Umweltbelastungen können sich auch (zumindest teilweise) Kapitalinteressen verbergen. Kosten und Nutzen von Verkehrsprojekten zwischen der Gesellschaft und Anwohnern auszugleichen bleibt eine schwierige Aufgabe, und wir wollen sicher nicht denen die Entscheidung überlassen, die am lautesten schreien können.

Donnerstag, 21. Juli 2011

Denkmalschutz mit Nebenwirkungen


Am Wochenende titelte der Tagesspiegel „Berliner Immobilien begehrt wie seit Jahren nicht mehr“. Der Grundstücksmarktbericht 2010/11 des Gutachterausschuss' der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, der die Grundlage für den Tagesspiegel-Artikel bildet, führt zunächst drei Gründe an: Der Berliner Wohnungsmarkt sei seit Jahren unterbewertet, hinzu kommen die steigenden Bevölkerungszahlen und eine überproportionale Zunahme der Singlehaushalte, die sich in dem aufgrund stagnierender Bautätigkeit knapper werdenden Wohnungsbestand niederlassen.

Eine Studie von URBANCONTEXT-Geschäftsführer Gabriel Ahlfeldt und Wolfgang Maennig (Universität Hamburg) ergänzt diese an dieser Stelle unkommentierten Erklärungen um einen weiteren Aspekt: Die rege Sanierungstätigkeit und der Denkmalschutz seit den 1990er Jahren in Berlin spielen eine wichtige Rolle für diese Entwicklung. 

Die Autoren analysieren den Einfluss historischer Gebäude und Baudenkmäler auf die Preise von Eigentumswohnungen in Berlin. Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterschutzstellung nicht direkt auf die Preise für Wohneigentum innerhalb der  Denkmäler wirkt. Geschützte Baudenkmale können jedoch den Wert ihrer Umgebung, gemessen in Wohnungspreisen, in einer Reichweite bis zu 600m erhöhen. Auf lange Sicht können PlanerInnen die Attraktivität von Stadtteilen und Städten in ihrer Gesamtheit durch Erhaltungs­maßnahmen für diese verbessern. Was in Berlin mit den Sanierungsgebieten – insbesondere im Ostteil der Stadt – gefördert wird. Denn langfristig kann der Erhalt dieser Form von Kulturerbe sogar einen direkten ökonomischen Effekt haben, indem durch erhöhte Lageattraktivität z.B. Touristen, Arbeitskräfte und bestimmte Firmen angezogen werden.

Denkmalschutz hat Nebenwirkungen – positive wie negative. Neben einem positiven Effekt auf Attraktivität und Eigentumspreise kann es aber auch zu negativen Effekten kommen, wie bspw. zur Verdrängung der ansässigen Bevölkerung. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihre Senatoren und Senatorinnen. 


Mittwoch, 13. Juli 2011

Pro IBA

Christiane Scholz

Aufruf des Tagesspiegels zur Architekturdebatte. Uwe Lehmann-Brauns sagt „Architekturqualität ist mehr als Geschmackssache“ und Architektur gehorcht nur noch dem „ökonomischen Bedarf der Bauherren“.

URBANCONTEXT beteiligt sich an dieser Debatte, die sich auch mit der Frage beschäftigt, ob und wie eine neue IBA sein sollte, anhand eigener Studien. Sie kommen zu folgenden Ergebnissen:

Erstens: Die Ergebnisse unterschiedlicher planerischer Dogmen wie der behutsamen (IBA 84) und auch der modernen (IBA 57) Stadterneuerung können breite Bevölkerungsschichten erreichen. Zweitens muss Lehmann-Brauns – teilweise sicher berechtigter – Einwurf eines Widerspruchs zwischen Ökonomie und Qualität gebauter Umwelt kein grundsätzlicher sein. Erhöhte öffentliche Investitionen in die äußere Wirkung von Gebäuden können zur Sicherung der langfristigen Werthaltigkeit vertretbar sein: Für entsprechende Gründerzeitviertel (IBA 84-Gebiete), aber vor allem für moderne Bebauung im Bereich des Berliner Hansaviertels (IBA 57-Gebiete) können architektonisch bewirkte Preisaufschläge von bis zu 17,6% gefunden werden.

Fazit: Deshalb können stadtplanerische Eingriffe in das Marktgeschehen gerechtfertigt sein, die zur Internalisierung dieser Preiseffekte mittels Zuschüssen, Kompensationen oder Umlagen beitragen. Berlin braucht gute Architektur und eine neue IBA, solange die Umsetzung der Projekte sozial und qualitativ hochwertig erfolgt.

Dienstag, 5. Juli 2011

Tourism goes Kiez

Kristoffer Möller

Now they’re finally in my district. They’re sitting in my bar, drinking my beer. They’re waving at me in the morning when I go to work – these “tourists”. It’s not Brandenburg Gate, Potsdamer Platz or Ku’damm anymore, it’s the Wrangelkiez, Simon-Dach-Straße, it’s right here. Political events as organised by the Green Party in the Wrangelkiez (“Hilfe, die Touris kommen”) or the campaign “Berlin doesn’t love you” are picking up the debate. However, one needs to be careful in “kicking out tourists”. With a turnover of almost nine billion Euros, tourism is a key economic sector, employing a great number of Berliners.

So, what’s the problem? Well, as economist, it’s a classic externality problem: The price tourists pay to experience Berlin does not cover the full cost. While the gastronomy and hotel sector might benefit from positive externalities, residents living in the respective areas suffer from negative external costs like noise, higher price levels or in my case all these “cocktail bunkers”. In order to overcome this market failure, one must include (internalise) these additional costs in the price tourists pay. One could for example apply a tax like the so called “city tax” where tourists would have to pay 2.50 Euros/day. If the tax revenues stay in the Kiez (city neighbourhood) by cleaning parks and sidewalks or by setting up public toilets, residents would have to bear less social costs. Unfortunately, as planned the money would be raised by the City of Berlin and not by the individual districts. Another problem: Does this tax really affect tourist flows? Are today’s easy-jetters and backpackers really affected by a tax of 2.50?

This brings us to the main question: Who are these people anyway driving up local rents, partying loudly all night long and packing out the Mauerpark? Is it really tourists? Can you distinguish between a tourist, a recent settler or a “real Berliner”? Well, I don’t think so! I simply think that there’s a big group of young people in Berlin who want to enjoy their lives in the Kiez. Blaming tourists doesn’t solve anything and would only create social aggression and economic problems. The only way of calming down the districts would be a local beer tax of 2.50 Euro/bottle – do we really want that?

Got to go – it’s happy hour now.