Montag, 10. Dezember 2012

Die Flucht nach vorn



Der Immobilienboom beschäftigt Berlin. So auch in der kürzlich ausgestrahlten RBB-Reportage, in der ich mitgewirkt habe. Eine der spannenden Fragen: Haben wir eine Immobilienblase in Berlin? Um es kurz zu machen: Noch scheint der Markt in weiten Teilen realistisch bewertet zu sein. Woran kann man das festmachen? Zum einen sind die in den letzten Jahren vor allem in bestimmten Kiezlagen beobachtbaren Wachstumsraten der Wohnungspreise noch mit sinkenden Zinsen und einer anziehenden Nachfrage zu erklären. Zum anderen deutet der Gleichschritt von Miet- und Preiswachstum an, dass sich der Markt in weiten Teilen noch im Gleichgeweicht befindet. (Siehe dazu auch diese Karten für Berlin.)

Dagegen hat in anderen deutschen und europäischen Großstädten wie Frankfurt, München oder London das Wachstum der Kaufpreise die Mieten längst abgehängt. Auch unter Berücksichtigung der lokalen ökonomischen Bedingungen sind viele Städte überbewertet. Auf Grund der bestehenden Unsicherheiten an den internationalen Kapitalmärkten besteht nun die Gefahr, dass sich der Markt mittelfristig auch in Berlin überhitzen könnte. 

Somit kann es Sinn ergeben, sich bezahlbaren Wohnraum zu sichern, bevor diese Entwicklung eintritt. Gleichzeitig warne ich vor Goldgräberstimmung. Eine durchaus zu erwartende positive Entwicklung in bestimmten Teilmärkten ist bereits weitgehend eingepreist. Eher handelt es sich um die vielleicht auf absehbare Zeit letzte Gelegenheit, sich Wohnraum in besonders nachgefragten Wohnlagen zu vertretbaren Konditionen zu sichern, z.B. in Kiezlagen in Nordneukölln oder Kreuzberg. 

Noch ist es im Gegensatz zu anderen Großstädten in Berlin möglich, auf relativ günstige Lagen auszuweichen. Aber auch das muss nicht immer so bleiben. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Entwicklungen und der aktuell niedrigen Finanzierungskosten sollten gerade Haushalte mittlerer Einkommensklassen den Kauf einen Immobilie zum Eigennutz in solchen noch weniger nachgefragten Lagen prüfen. Dies gilt auch und insbesondere für Haushalte, die sich in der angestammten Gegend einem zunehmenden Mietdruck ausgesetzt sehen. Wohneigentum ist naturgemäß der beste Schutz vor Verdrängung. Auch wenn es oft einen finanziellen Kraftakt bedeutet, kann sich die Flucht nach vorne (in eine eigene Immobilie in einer noch nicht hochgejubelten Lage) langfristig auszahlen. 

Aus ähnlichen Gründen sollte eine soziale Wohnungspolitik auch eine Politik sein, welche Menschen zum Erwerb von Wohneigentum ermuntert und befähigt. Von häufig unterstellten positiven Effekten auf Grund erhöhten Verantwortungsbewusstsein für das eigene Eigentum abgesehen: Nur im Wohneigentum profitieren die Bewohner nachhaltig von positiver Stadtentwicklung und Aufwertung. Die Diskussion um Aufwertung und Verdrängung fokussiert sich noch immer stark auf Symptome, d.h. Mieterhöhungen als Nebenwirkungen von Stadtteilaufwertungen. Dabei liegt die Ursache des Verteilungskonflikts in der Eigentümerstruktur. Der Kauf einer Immobilie kann beschwerlich sein und kurzfristig zu finanziellen Einschränkungen führen. Aber es ist langfristig der sicherste Schutz vor Verdrängung und der beste Weg für Bewohner an einem lokalen Aufschwung teilzuhaben. Politische und soziale Initiativen, die Verdrängung nachhaltig vorbeugen wollen, sollten es daher nicht bei der plakativen Forderungen nach niedrigen Mieten belassen. Stattdessen sollten sie gerade die Schwächeren bei der Flucht nach vorn unterstützen. 

Donnerstag, 30. August 2012

Olympische Sommerspiele und Stadtentwicklung: Der Fluch des Goldes?



Die Olympischen Sommerspiele sind das größte Sportereignis der Welt. Etwa 4,7 Milliarden Zuschauer sahen zuletzt die Spiele in Bejing 2008. Die Zuschauerzahlen für die Spiele 2012 in London werden in Kürze erwartet. Die Diskussionen um eine eventuelle zukünftige Bewerbung entflammen auch in Berlin erneut und entfachen Mal für Mal die Gemüter der konträr gelagerten Interessengruppen. Befürworter proklamieren neben positiven Entwicklungen des lokalen Arbeitsmarktes und der überregionalen Wirtschaft im Allgemeinen auch regelmäßig Effekte für den Tourismus sowie einen beachtlichen, weltweiten Imagegewinn, der weitere Investitionen nach sich ziehen soll. Zudem werden potentielle Infrastruktur- und weitere städtische Gestaltungsmaßnahmen positiv hervorgehoben.

Kritische Stimmen stützen sich hingegen vor allem auf die immensen Kosten und versuchen damit, einer möglichen Bewerbung entgegenzuwirken. Die entsprechende Summe für die Austragung in Athen 2004 wird z.B. auf über 8 Milliarden Euro geschätzt und soll die Schwächung der griechischen Wirtschaft erheblich vorangetrieben haben. Montreal, als Gastgeber der Spiele 1976, benötigte etwa 3 Jahrzehnte, um die entstandenen Schulden zu tilgen. Tat-sächlich konnten bisherige Forschungsarbeiten in ihrer Tendenz nur sehr schwache bis gar keine Effekte auf Arbeitsmärkte, Tourismus und die wirt-schaftliche Entwicklung nachweisen, die die entsprechenden Kosten recht-fertigen würden. Eine vollständige Erfassung des gesamten Arsenals an Einflüssen blieb jedoch aus Gründen der Messbarkeit – bis jetzt – aus. 

In einer aktuellen Studie habe ich in Zusammenarbeit mit Volker Nitsch zum ersten Mal einen aggregierten Gesamteffekt aller Olympischen Sommerspiele seit 1896 auf die Gastgeberstädte untersucht. Die Analyse relativer Wachs-tumsraten der Bevölkerung gibt dabei an, ob eine Stadt im Vergleich zu anderen Städten nach Ausrichtung der Spiele schneller oder langsamer wächst. In der Stadtökonomie wurde in den letzten Jahrzehnten nachgewiesen, dass Städte, die ihren Einwohnern einen erhöhten wahrgenommenen Nutzen bieten (wie etwa durch bessere Infrastruktur, mehr Arbeitsplätze oder auch ein Gefühl des Lokalpatriotismus), eine erhöhte Nachfrage nach Wohnraum schaffen. Diese lässt sich u.a. über das Wachstum einer Stadt messen. Wenn also das Ausrichten der Spiele in seiner Gesamtheit einen positiven Effekt auf die Gastgeberstadt ausübt, dann sollte sich dies über die relativen Wachstumsraten der Städte im Zeitablauf zeigen. Interessanterweise erkennt man jedoch eine andere Tendenz: Tatsächlich wachsen Gastgeberstädte nach den Spielen deutlich langsamer. Das deutet stark darauf hin, dass olympische Spiele eher negative Gesamteffekte auf die Stadtentwicklung haben.

Nun bleibt anzumerken, dass dies nicht bedeutet, dass eine Stadt unter keinen Umständen eine Bewerbung einreichen sollte. Die Ausrichtung der Spiele vermag es, bereits durchgeführte Maßnahmen der Stadtentwicklung wirkungsvoll zu vermarkten, wie es im Falle von Barcelona (1992) geschah. Außerdem lassen sich einzelne innerstädtische Aufwertungseffekte nicht leugnen.  Jedoch sollten sich Befürworter der Sache darüber im Klaren sein, dass die gesammelten Forschungsergebnisse darauf hinweisen, dass die enormen Kosten möglicherweise nicht durch nachfolgende positive Entwicklungsimpulse aufgefangen werden können.


Freitag, 13. Juli 2012

Von Gefangenendilemma und goldenen Käfigen: Zur Ökonomie des Denkmalschutzes




Die Beurteilung immaterieller Kulturgüter ist eine Herausforderung. Dementsprechend schwierig ist es, politische Programme wie den Denkmalschutz zu bewerten, welcher den historischen oder architektonischen Charakter besonderer Gebiete bewahren soll. In einer kürzlich veröffentlichten Studie, von einem Team aus LSE- und URBANCONTEXT-Forschern im Auftrag von English Heritage durchgeführt, haben wir uns dieser Frage gewidmet. In einem Kommentar des Leiters von English Heritage in der Financial Times wurde hervorgehoben, dass wir positive Effekte auf Preise und Wertentwicklung von Immobilien in englischen Denkmalschutzgebieten finden. Das ist richtig und doch nur ein Teil der gewonnenen Erkenntnisse. 

Die Herausforderung bei der Bewertung von Denkmalen und Denkmalschutzgebieten bzw. der Besonderheiten dieser Gebiete ist, dass die positiven Auswirkungen dieser Gebiete auf ihre Umgebung – und auf die Gesellschaft als Ganzes – nicht direkt auf dem Markt gehandelt werden. Da es keine direkt beobachtbaren Preise gibt, ist es schwierig, die Zahlungsbereitschaft der Menschen für solche Häuser bzw. deren Effekte in konkreten Zahlen auszudrücken.

Deshalb haben wir uns beobachtbaren Marktergebnissen zugewendet – anhand von über eine Mio. Immobilien-Transaktionen in ganz England seit 1995. Bei der Analyse von mehr als 8000 Schutzgebieten konnten wir zeigen, dass die Immobilienpreise – um andere Faktoren bereinigt – um ca. 9% höher liegen als anderswo, und mit der Dichte an historischen Gebäuden noch steigen. Zudem haben wir 111 ausführliche Interviews  mit Bewohnern in 10 dieser Schutzgebiete geführt. Ein Ergebnis ist, dass Menschen bereit sind, höhere Prämien für eine höhere ästhetische Qualität der Umgebung zu bezahlen.
Für Berlin habe ich eine ähnliche Studie durchgeführt: Ich habe den Einfluss historischer Gebäude und Baudenkmäler auf die Preise von Eigentumswohnungen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die über 16.000 Baudenkmale in Berlin signifikant auf die Umgebung und die Wohnungspreise in ihrer Umgebung ausstrahlen, und zwar bis zu einer Reichweite von 600m. Dies zeigt deutlich, dass zumindest einigen Menschen gebaute Ästhetik und historischer Charakter etwas wert ist. 

Gibt es auch Nachteile? Natürlich schränkt Denkmalschutz die Möglichkeiten Gebäude zu verändern erheblich ein. Unterschutzstellungen – welche das Gebäude nicht verändern, jedoch die Nutzungsmöglichkeiten beeinträchtigen – könnten deshalb den Wert von Immobilien verringern. Bei der Betrachtung von mehr als 900 seit 1996 ausgewiesenen Schutzgebieten in England konnten wir jedoch keine signifikanten Auswirkungen auf Immobilienpreise feststellen. Viele der interviewten Eigentümer unterstrichen die Notwendigkeit der Beschränkungen, die eine Benennung mit sich bringt.

Dies sind gute Neuigkeiten, da dies bedeutet, dass der Erhalt gesellschaftlich bedeutender Gebäude nicht unbedingt zu Lasten der Eigentümer gehen muss. Denkmalschutzgebiete lösen eine Form des Gefangenendilemmas. Wenn sich jeder Hausbesitzer um sein eigenes (historisches) Haus kümmert, ist jeder besser dran. Aber einzelne Hausbesitzer könnten versucht sein, von den Bemühungen anderer Hausbesitzer zu profitieren, ohne selbst zu investieren. Eine Regelung, die verbindliche und allgemeingültige Standards setzt, macht solches Trittbrettfahren schwerer.

Eine gesamtgesellschaftliche Bewertung der Denkmalschutzpolitik ist dagegen schwieriger. Sind Unterschutzstellungen im großen Stil im Interesse der Gesellschaft als Ganzes? Einerseits werden dadurch ästhetisch und historisch bedeutsame Gebiete erhalten. Andererseits wissen wir nicht, ob dadurch der Neubau und damit das Gesamtangebot an Wohnungen begrenzt wird und dadurch mittelfristig (und nicht durch eine besondere Wertschätzung) Mieten und Preise steigen. In einem URBANCONTEXT-Blogbeitrag hat Christiane Scholz für Berlin soziale Nebenwirkungen des Denkmalschutzes konstatiert – Verdrängung der ansässigen Bevölkerung durch höhere Mieten. 

Wenn dem so ist, kann zu viel Denkmalschutz goldene Käfige schaffen – schöne Städte, in denen Wohnraum für den durchschnittlichen Haushalt unerschwinglich wird. Was diese Frage angeht, steht die Forschung jedoch noch am Anfang.

Dienstag, 6. März 2012

Aus ökonomischer Sicht ist ein Berliner Innenstadtflughafen (noch) nicht sinnvoll




Drei Monate vor Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens sind die Zeitungen mit Schlagzeilen zum Thema gefüllt. Insbesondere die Verteilung des zu erwartenden Fluglärms erhitzt die Gemüter. Wir nutzen die Gelegenheit noch einmal, URBANCONTEXT Forschung-Revue passieren zu lassen und stellen uns die Frage:
War es angesichts aktueller Proteste der BER-Anwohner eine gute Entscheidung, die beiden Innenstadt-Flughäfen zu schließen und sich auf den Ausbau eines einzigen, an der Stadtgrenze liegenden Flughafens zu konzentrieren?

Freitag, 17. Februar 2012

Flughafen BER: Sind die Proteste gerechtfertigt?




1996 wurde der Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) angekündigt. Ähnlich wie im Fall Stuttgart 21 begannen die Proteste dagegen aber erst Jahre später. Die Information braucht eine Weile, um alle zu erreichen und es dauert wohl, bis die Auswirkungen klar werden.

Spätestens jedoch seit Ankündigung der (auch der vorläufigen) Flugrouten haben viele gesehen: Unser Haus liegt in den Einflug- oder Abflugschneisen – wir sind von (vermehrtem) Fluglärm betroffen. Aber nicht nur das: Auch der Wert unserer Immobilie sinkt aufgrund dessen – oder?