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Montag, 22. August 2011

Der Wert von „Starchitektur“


  
Gute Architektur spielt eine große Rolle für das Erscheinungsbild eines Stadtgebietes,  selbst wenn wir uns nicht immer darüber einig sind, welche Gebäude als schön gelten. Noch schwerer zu beurteilen sind die Auswirkungen ikonischer Gebäude auf den Wert der umliegenden – welche als architektonische Spillover bezeichnet werden könnten. Die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses ist ein Beispiel für öffentlich subventionierte Leuchtturmarchitektur. Dieses Projekt greift auf ein konservatives Architekturverständnis zurück, d.h. es werden möglichst originalgetreu Stilelemente des vorvergangenen Jahrhunderts zitiert. Dies ist selbstverständlich nur eine der möglichen Gangarten. Eine Alternative stellen innovative oder gar revolutionäre Entwürfe mit einzigartigem Design dar. Bei öffentlich finanzierten oder subventionierten Gebäuden kann es in der Praxis dazu kommen, dass die Auswahl von Entwürfen ideologisiert wird, d.h. je nachdem auf die Akzeptanz bei breiten oder sehr speziellen Bevölkerungsschichten ausgerichtet wird. Eine konservative Strategie, für die Franko Stellas Entwurf des Stadtschlosses steht, bietet häufig geringe (erwartete) Reibungspunkte.

Aktuelle URBANCONTEXT-Forschung zeigt, dass sich die Investition in aufwändige Architektur lohnen kann und dass – zumindest auf lange Sicht – auch gewagte Architektur hohe Akzeptanz genießen kann.

Die Studie fokussiert auf Immobilien, welche von Frank Lloyd Wright geschaffen wurden – dem „größten amerikanischen Architekten aller Zeiten“, so die Ansicht seiner Kollegen im American Institute of Architects. Sie bezieht sich auf  Oak-Park, Illinois, USA. Diese suburbane Siedlung bei Chicago ist für die empirische Forschung von großem Vorteil, da Wright hier zwischen 1892 und 1914 24 außergewöhnliche Wohnhäuser errichtete. Mit Ausnahme eines Gebäudes, welches als Informationszentrum genutzt wird, handelt es sich um privat genutzte Wohnhäuser. Ein externer Effekt, oder Spillover, geht daher plausibler Weise nur vom äußeren Erscheinungsbild aus.


Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Preisaufschlag pro Landmaßeinheit – 8.5% für Häuser innerhalb 50m eines Wright-Hauses und ungefähr 5% innerhalb 50-250m. Über diese Schwelle hinaus ist der positive Effekte bestenfalls schwach. Besonders interessant ist, dass sich der „ikonische Effekt“ nur langsam entwickelte. Auf Grundlage von geschätzten Bodenwerten unmittelbar nach der Fertigstellung der letzten Wright-Gebäude können kleine signifikante Preisaufschläge nachgewiesen werden. Die naheliegende Erklärung: Die jetzt sichtbaren Effekte sind erst durch das wachsende Renommee des Architekten und die schrittweise Annahme modernen Designs durch die Öffentlichkeit im Laufe der Zeit entstanden.

Dieses Beispiel bestätigt positive externe Effekte aufwändiger Architektur sowie ein dynamisches Verständnis von Architektur. Heute gelten Wrights Häuser als schön, während sie gestern kein besonderer Blickfang waren. Morgen kann sich ein heute revolutionärer Entwurf für das Humboldtforum als wegweisend zeigen.

In jedem Fall zeigt die Existenz dieser architektonischen Spillovereffekte Möglichkeiten für die Politik auf – nicht nur, aber auch bei Gebäuden von Top-Architekten. Durch bessere Architektur auf breiter Ebene können wohnliche und angenehme öffentliche Plätze geschaffen und damit ein positiver Wohlfahrtseffekt erzielt werden. Nicht nur Immobilienbesitzer können durch die externen Effekte vom erhöhten Wert ihrer Nachbarschaft profitieren, sondern auch auf der Museumsinsel flanierende Steuerzahler.

Doch wie immer gibt es auch eine Schattenseite. Die Durchsetzung höherer Investitionen in Architektur – beispielsweise mithilfe von gesetzlichen Regelungen – kann Baukosten erhöhen und möglicherweise die Stadtentwicklung hemmen. Ein nicht wünschenswertes Resultat wären eine Verknappung von Wohnraum und Preis- und Mietsteigerungen, die eher angebots- als nachfragegesteuert. In Zeiten sich abzeichnender Wohnungsknappheit, vor allem in innerstädtischer Lage, ist dies kein besonders wünschenswertes Szenario. Eine intelligente Politik muss auf einem schmalen Grad wandeln und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl Architektur fördern, ohne Investoren zu verschrecken.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Pro IBA

Christiane Scholz

Aufruf des Tagesspiegels zur Architekturdebatte. Uwe Lehmann-Brauns sagt „Architekturqualität ist mehr als Geschmackssache“ und Architektur gehorcht nur noch dem „ökonomischen Bedarf der Bauherren“.

URBANCONTEXT beteiligt sich an dieser Debatte, die sich auch mit der Frage beschäftigt, ob und wie eine neue IBA sein sollte, anhand eigener Studien. Sie kommen zu folgenden Ergebnissen:

Erstens: Die Ergebnisse unterschiedlicher planerischer Dogmen wie der behutsamen (IBA 84) und auch der modernen (IBA 57) Stadterneuerung können breite Bevölkerungsschichten erreichen. Zweitens muss Lehmann-Brauns – teilweise sicher berechtigter – Einwurf eines Widerspruchs zwischen Ökonomie und Qualität gebauter Umwelt kein grundsätzlicher sein. Erhöhte öffentliche Investitionen in die äußere Wirkung von Gebäuden können zur Sicherung der langfristigen Werthaltigkeit vertretbar sein: Für entsprechende Gründerzeitviertel (IBA 84-Gebiete), aber vor allem für moderne Bebauung im Bereich des Berliner Hansaviertels (IBA 57-Gebiete) können architektonisch bewirkte Preisaufschläge von bis zu 17,6% gefunden werden.

Fazit: Deshalb können stadtplanerische Eingriffe in das Marktgeschehen gerechtfertigt sein, die zur Internalisierung dieser Preiseffekte mittels Zuschüssen, Kompensationen oder Umlagen beitragen. Berlin braucht gute Architektur und eine neue IBA, solange die Umsetzung der Projekte sozial und qualitativ hochwertig erfolgt.

Mittwoch, 29. Juni 2011

Seid begeistert! Doch bloß wovon?

Gabriel Ahlfeldt

Das geplante Humboldt-Forum – eine nicht enden wollende Geschichte. Man könnte meinen, es sei schon alles gesagt. Gerade, wo sich bei Gegnern der Schlossrekonstruktion Resignation und bei Befürwortern ob der absehbaren Einsparungen Desillusionierung breit macht, ruft Ijoma Mangold zur Begeisterung auf (Die Zeit, Ausgabe 26/2011, Feuilleton).

Wir sollen den „unsinnigen Verdacht beiseite legen, das Schlossprojekt habe eine retronationale Schlagseite“. Stattdessen wünscht sich der Autor Begeisterung – Begeisterung für das „Hohenzollernschloss, das die DDR in einem talibanhaften Anfall von Kulturvandalismus sprengen ließ“.

Eine dramatische Wortwahl – zweifellos mit charmant ironischer Note – aber natürlich ist die ideologisch motivierte Zerstörung historischen (Bau-)Erbes uneingeschränkt zu verurteilen. Allein, wo führt das hin? Sind wir nun mit dem ebenso wenig schmeichelhaften Abriss des Palasts der Republik quitt? Welchem prä-kulturimperialen Zustand sollen wir nun nachtrauern oder entgegenfiebern?

Mit ähnlich beißender Ironie bedient Ijoma Mangold das Klischee der „Verzagten und Mürrischen“, die bezweifeln, dass sich die außereuropäischen Sammlungen mit „der feudalen Fassade des Schlosses vertragen“. Eine Referenz auf die häufig zitierte elitäre Minderheit architektonischer Avantgardisten, die sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder getäuscht und enttäuscht hat. Die spannende Frage, die sich dahinter verbirgt, ist: Können und wollen wir ein architektonisches Wagnis eingehen, welches entweder ein visionäres Gravitationszentrum einer aufstrebenden Kulturhauptstadt wird oder aber auf ewig unverstanden bleibt. Oder setzen wir auf Bewährtes, gehen den sicheren Pfad der Rekonstruktion, auch wenn wir uns damit dem Vorwurf der Einfalt aussetzen?

Die letzten Jahrzehnte der Museumsarchitektur haben Ikonen wie das Centre Pompidou, Quai Brenly (beide Paris), Tate Modern (London) oder Guggenheim Museum (Bilbao), hervorgebracht, welche mitnichten an der Basis vorbeigegangen sind. Eigene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass kontemporäre Architektur, richtig umgesetzt, bei Anwohnern ebensolche Wertschätzung erfährt und ähnlich häufig fotografiert wird wie ihre historischen Vorgänger. Man muss nicht einmal die Museumsinsel verlassen – die kritische und umstrittene Rekonstruktion des Neuen Museums von David Chipperfield erfreut sich einer Beliebtheit, die dazu geführt hat, dass Zeitkarten für die Besichtigung ausgegeben werden mussten. Da kann auch die wunderbare Rekonstruktion des Bodemuseums, zweifelslos eine beeindruckende handwerkliche Leistung, nicht mithalten. Eine unverstandene Minderheit Verzagter und Mürrischer sieht anders aus.

Ijoma Mangold ruft auf zur Begeisterung für das Humboldt-Forum. Es ist ein Notruf.