Mittwoch, 29. Juni 2011

Seid begeistert! Doch bloß wovon?

Gabriel Ahlfeldt

Das geplante Humboldt-Forum – eine nicht enden wollende Geschichte. Man könnte meinen, es sei schon alles gesagt. Gerade, wo sich bei Gegnern der Schlossrekonstruktion Resignation und bei Befürwortern ob der absehbaren Einsparungen Desillusionierung breit macht, ruft Ijoma Mangold zur Begeisterung auf (Die Zeit, Ausgabe 26/2011, Feuilleton).

Wir sollen den „unsinnigen Verdacht beiseite legen, das Schlossprojekt habe eine retronationale Schlagseite“. Stattdessen wünscht sich der Autor Begeisterung – Begeisterung für das „Hohenzollernschloss, das die DDR in einem talibanhaften Anfall von Kulturvandalismus sprengen ließ“.

Eine dramatische Wortwahl – zweifellos mit charmant ironischer Note – aber natürlich ist die ideologisch motivierte Zerstörung historischen (Bau-)Erbes uneingeschränkt zu verurteilen. Allein, wo führt das hin? Sind wir nun mit dem ebenso wenig schmeichelhaften Abriss des Palasts der Republik quitt? Welchem prä-kulturimperialen Zustand sollen wir nun nachtrauern oder entgegenfiebern?

Mit ähnlich beißender Ironie bedient Ijoma Mangold das Klischee der „Verzagten und Mürrischen“, die bezweifeln, dass sich die außereuropäischen Sammlungen mit „der feudalen Fassade des Schlosses vertragen“. Eine Referenz auf die häufig zitierte elitäre Minderheit architektonischer Avantgardisten, die sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder getäuscht und enttäuscht hat. Die spannende Frage, die sich dahinter verbirgt, ist: Können und wollen wir ein architektonisches Wagnis eingehen, welches entweder ein visionäres Gravitationszentrum einer aufstrebenden Kulturhauptstadt wird oder aber auf ewig unverstanden bleibt. Oder setzen wir auf Bewährtes, gehen den sicheren Pfad der Rekonstruktion, auch wenn wir uns damit dem Vorwurf der Einfalt aussetzen?

Die letzten Jahrzehnte der Museumsarchitektur haben Ikonen wie das Centre Pompidou, Quai Brenly (beide Paris), Tate Modern (London) oder Guggenheim Museum (Bilbao), hervorgebracht, welche mitnichten an der Basis vorbeigegangen sind. Eigene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass kontemporäre Architektur, richtig umgesetzt, bei Anwohnern ebensolche Wertschätzung erfährt und ähnlich häufig fotografiert wird wie ihre historischen Vorgänger. Man muss nicht einmal die Museumsinsel verlassen – die kritische und umstrittene Rekonstruktion des Neuen Museums von David Chipperfield erfreut sich einer Beliebtheit, die dazu geführt hat, dass Zeitkarten für die Besichtigung ausgegeben werden mussten. Da kann auch die wunderbare Rekonstruktion des Bodemuseums, zweifelslos eine beeindruckende handwerkliche Leistung, nicht mithalten. Eine unverstandene Minderheit Verzagter und Mürrischer sieht anders aus.

Ijoma Mangold ruft auf zur Begeisterung für das Humboldt-Forum. Es ist ein Notruf.

1 Kommentar:

  1. Neuerdings beschimpft ein Architekt öffentlich mit Megafon das Projekt Stadtschloss.
    Nicht aber gegen die vorsichtig-konservative Architektur etwa, wie hier beschrieben, sondern allein wegen der hohen und unvorsehbar höheren Kosten. Er mag Recht haben. Doch wenn er glaubt, die Bürger leisten keinen Widerstand, weil "590 Millionen nur eine abstrakte Zahl" sind, unterschätzt er da nicht die BerlinerInnen, die inzwischen auch an solche Großprojekte gewöhnt sein dürften?

    http://www.berliner-zeitung.de/berlin/aufreger-architekt-beschimpft-stadtschloss,10809148,17177600.html

    Andreas Ludwig

    AntwortenLöschen