Dienstag, 30. August 2011

Capital of Cool


Die Zeitschrift Capital (09/2011) titelt in ihrer aktuellen Printausgabe „Städte-Ranking: Warum Berlin selbst in Ostdeutschland nur in der zweiten Liga spielt“. Berlin liegt auf Platz 22. von 60 Plätzen. Lag Berlin vor zwei Jahren in diesem ökonomisch orientierten Ranking (gewichtetes Mittel aus Wirtschaftsleistung [30%], Arbeitsplätze, Bevölkerung, Kaufkraft pro Kopf [je 20%]) noch auf Platz 29 – also etwa in der Mitte – ist es nun fast in das obere Drittel aufgerückt. Nicht Spitze, aber immerhin. Warum es trotz dieser mäßigen Wirtschaftskraft so viele Menschen nach Berlin zieht, können die Autoren aber nicht erklären. Berlin muss gar nicht die „Hauptstadt des Wohlstands“ sein.

Berlin kann vielmehr Hauptstadt der Kreativen sein oder „Capital of Cool“, wie die Bread & Butter für ihren Standort wirbt. Die Forschungsergebnisse zu Kreativwirtschaft in Deutschland zeigen: Berlin hat die höchsten Lagekoeffizienten in kreativen Berufen (kreative Berufe im Allgemeinen, im Speziellen: freiberufliche Künstler, Performance-Künstler, Musiker und Beschäftigte in schönen Künsten) – deutschlandweit. Dies kann selbstverstärkende Effekte haben: Ein Cluster von Kunst- und Kulturschaffenden zieht weitere an. Diese Prozesse verstärken das kreative Klima der Stadt. Kreativwirtschaftende sind von vielen Ideen und unterschiedlichen Produktionstechniken umgeben und können zudem beispielsweise Studios, Ateliers usw. teilen. 

Ob aber dadurch ein rapides Wachstum eintreten wird, wie von Richard Florida für andere Städte aufgezeigt, ist fraglich. Denn diese Berufe sind oft prekär – sie sind häufig geprägt von unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und geringen Einkommen. Trotzdem zeigt URBANCONTEXT-Forschung am Beispiel von "Mediaspree", dass viele Berliner eine gezielte Strategie für Wirtschaftsansiedlung in ihrem Kiez ablehnen. Dies tun sie nicht, wie oft angenommen, aus Angst vor steigenden Mieten, sondern weil sie das Schwinden des speziellen Kiezcharakters mit all seinen kulturellen Annehmlichkeiten fürchten.

Auch in Berlin ist Wirtschaft wichtig – für seine Bewohner aber nicht alles. Autonomie und Kreativität sind von mindestens ebenso großer Bedeutung. So warten wir eher weniger gespannt auf das nächste Ranking…

1 Kommentar:

  1. Stadtökonomen überrascht das nicht - sie denken im Rosen-Roback Framework. Für eine(n) attraktive Stadt/Bezirk sind sie bereit auch auf auf Wirtschaftskraft zu verzichten und hohe Mieten in Kauf zu nehmen. Nach diesen Kriterien ist Berlin zunehmend Spitze. LANGfristig wird sich der Zustrom der "Creative Class", um bei Richard Florida zu bleiben, auch auszahlen.

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